Joël Luc Cachelin hat in St. Gallen Wirtschaft studiert und dort danach auch doktoriert. Auf dem beruflichen Weg hat er danach an zwei Instituten gearbeitet bevor er sein eigenes kleines Institut, die Wissensfabrik gegründet hat. In unserem Interview erzählt er über die digitale Transformation und die grössten Auswirkungen auf Teams in der Zukunft.
Executive Summary:
- Ein Individuum wird ein Teil von mehreren Teams, diese setzten sich in Zukunft immer neu zusammen und erstrecken sich über die Unternehmensgrenzen hinaus.
- Selbstkompetenz und Selbstmanagement, mit einem Raum für Selbstreflexion gehört mitunter zu den zentralsten Zukunftsfähigkeiten.
- Diese werden umso bedeutungsvoller, je höher sich der digitale Reifegrad des Teams gestaltet.
- Flache Hierarchien prägen Netzwerkorganisationen in der Zukunft immer stärker.
- Eine weitere Entwicklung ist das Thema von anderen zu lernen und inspiriert zu werden.
- Teams setzten sich in Zukunft aus Mitarbeitern, zwischen 25 und 65 Jahre zusammen.
- Es gestaltet sich ein wertvoller Austausch zwischen erfahrenen älteren Mitarbeiter und der jungen, «digital frischen» Generation Z.
Vorteile dieser digitalen Entwicklungen auf Teams bezogen:
- Neue Menschen treffen aufeinander. Das wirkt sich potenziell auf das Innovationspotenzial aus (Formel: Kombination = Innovation)
- Unternehmen erlangen dadurch einen flexiblen Zugriff auf Fähigkeiten
- Generationsübergreifende Teams bringen ein grosses Innovationspotenzial
Nachteile dieser digitalen Entwicklungen auf Teams bezogen:
- Teams begegnen sich seltener auf der zwischenmenschlichen Ebene: Das kann die Angst vor einer zunehmenden Anonymisierung verstärken, zu einer Entfremdung beitragen und somit die Teambeziehungen verschlechtern
- Die teaminterne Koordination wird aufwändiger (die informelle Kommunikation fällt weg)
- Die psychische Belastung kann zunehmen: Stress, Informationsflut, zu viele digitale Kanäle sowie eine 24/7 Erreichbarkeit.
Interview im Detail
Im Detail sagt Herr Cachelin zu den fünf recherchierten Auswirkungen der digitalen Transformation in Bezug auf Teams:
«Agilität ist eine wichtige Auswirkung, in Bezug auf die Veränderungsfähigkeit sowie dem Thema Teamlernen und sich anpassen. Selbstkompetenz und Selbstmanagement, mit einem Raum für Selbstreflexion gehört aus meiner Sichtweise mitunter zu den zentralsten Fähigkeiten innerhalb eines Team und werden umso bedeutungsvoller, je höher sich der digitale Reifegrad des Teams gestaltet. Flache Hierarchien prägen Netzwerkorganisationen in der Zukunft immer stärker.»
«Banal aber zentral, wird der Ort an dem zusammengearbeitet wird: Nämlich auf digitalen und virtuellen Plattformen. Grundsätzlich verändert sich also die ganze Kommunikation.»
Massnahmen und Impulse
Cachelin betont: «Die Selbstkompetenz und das Selbstmanagement sind dabei auf der Ebene des Indiviuum anzupacken. Innerhalb von Teams empfiehlt es sich zudem weniger nach allgemeinen Policies zu arbeiten sondern als Team eigenen Spielregeln zu erarbeiten. So nach dem Motto: Wie gehen wir als Team mit den unterschiedlichen Aspekte der Digitalisierung um?».
«Ein weiterer, zentraler Punkt ist das Thema von anderen zu lernen und inspiriert zu werden. Das bedeutet der Austausch von Expert*innen und mit anderen Teams in einem Workshop oder anderen Formaten.»
Digital Leadership
«Ein grosser Teil Führung verlagert sich ins Digitale z.B. in die digitale Kommunikation. Zunehmend werden sich Teammitglieder selber organisieren müssen, mit Hilfe von Plattformen, Onlineagenden und so weiter.» Die Selbstorganisation jedes Mitarbeiter nimmt also stark zu. «Durch die digitale Koordination wird noch mehr Kommunikation nötig sein.»
Was bedeutet das für einen digitalen Leader? «Der digitale Leader agiert stärker als Coach, fokussiert sich als Facilitator auf die Moderation und gibt wichtige konstruktive Feedbacks. Hierbei stelle ich mir die Frage ob es in Zukunft überhaupt noch klassische Führungskräfte geben wird.»

Blick in die Zukunft
«Teams werden immer weniger physisch vor Ort sein. Die Zeit, welche man gleichzeitig an einem Ort verbringt nimmt ab, wobei die Qualität gleichzeitig zunehmen muss. Das heisst: Wenn sich Teams treffen müssen sie noch besser vorbereitet sein. Jedes Teammitglied sollte genau wissen, warum man sich eigentlich trifft. Das bringt mit sich das die Rollen jedes einzelnen vorher klar definiert werden müssen. Konkret: Wer leitet die Sitzung oder den Workshop und was soll genau dabei herauskommen?»
Auswirkungen der Generationen auf Teams
«Das Thema Generationen wird ebenfalls starke Auswirkungen auf Teams haben. Nach Cachelin wird die Altersspanne innerhalb von Teams in Zukunft möglicherweise um einiges grösser. Dabei setzten sich Teams aus Mitarbeitern, zwischen 65 und 25 Jahre zusammen. Das sind diverse, ausserordentlich spannende Teams. So eine Diversität zu managen ist für einen Digital Leader anspruchsvoll. Wie cool jemand die Digitalisierung findet ist ganz unterschiedlich, da die Erwartungen stark auseinander gehen.»

«Solch diverse, generationsübergreifende Teams bringen ein grosses Innovationspotenzial und fördern den dadurch den wertvollen Austausch zwischen erfahrenen älteren Mitarbeiter und der jungen, «digital frischen» Generation Z. Durch diesen spannenden Austausch bleiben Mitarbeiter auch längerfristig erhalten und ans Unternehmen gebunden. Das kann auf der anderen Seite aber schnell zu Konflikten führen.»
Schlusswort
Wenn Reflexion für Mitarbeiter immer wichtiger wird, und digitale Leaders stärker als Coaches agieren, stellt sich folgende Frage: Was brauchen Teams für Feedbackinstrumente und wie gestaltet sich die Mitarbeiterbeurteilung sowie die Vorgesetztenbeurteilung in Zukunft? Mit welchen Hilfsmittel diese Reflexions- und Feedbackprozesse ausgelöst werden können, ist für die Steigerung der Reflexion und Selbstkompetenz entscheidend.